Durch eine glückliche Fügung war ich soeben
mit meiner Liebsten ein paar Tage in einem unglaublich netten Wellness Hotel in
Gmünd (hier der Link). Schon bei der Hinreise überlegte ich mir, was ich denn
Passendes aus dem tiefsten Waldviertel mitnehmen könnte. Mohn kam seit meinem
Erlebnis im Mohndorf Armschlag nicht in Frage (hier das Geschichtchen zur Erinnerung). Also dachte ich mir - das Waldviertel ist ja auch für Erdäpfel
bekannt - ich nehme ein paar spezielle Kartoffelsorten, am besten in Bioqualität,
mit.
Am ersten Urlaubstag war ich deshalb nicht
wellnessen, sondern setzte mich ins Auto, um nach einem Ort Ausschau zu halten,
den ich liebevoll Gemüsestrich nenne. Gemeint sind jene Häuser oder Hütten, die
am Straßenrand eben alle Arten von Gemüse und Obst anbieten. Nach ein paar
Stunden, ohne ein einziges Schild für Kartoffeln gefunden zu haben, wurde mir
die Sache langsam zu blöd, und bei der russischen Grenzstation kehrte ich um.
Gleich nach dem Frühstück des zweiten
Urlaubstags ging ich aufs Zimmer und befragte das Internet. Nach einer schier
endlosen Suche kam ich auf mehrere Dinge. Erstens: die Zeit für Heurige
Kartoffel ist genau jetzt im Juli/August. Zweitens: in einem Landstrich, wo die
Industrialisierung noch nicht abgeschlossen ist, Kartoffelbauern mit einer
Homepage finden zu wollen, ist leicht naiv. Und drittens wurde mir immer
bewusster, dass es leichter ist, in diesem Landstrich waffenfähiges Plutonium
zu bekommen als Kartoffeln.
Am dritten Tag versuchte ich, das Personal
des Hotels dazu zu bringen, mir ihre geheimen Kartoffelquellen zu verraten.
Doch auch Dieses fruchtete nicht. Ich war inmitten einer Erdäpfelverschwörung.
Die einen antworteten auf die Frage, wo sie ihre Kartoffel kauften, nervös
"im Supermarkt", die anderen liefen einfach davon und waren nie mehr
gesehen.
Völlig frustriert und überhaupt nicht
entspannt verließ ich das Hotel mit meiner Freundin kartoffellos und wir fuhren
gen Wien. Um uns bei Laune zu halten, rechnete sich das Navi eine komplett
andere Route als bei der Hinfahrt aus - quasi ein „Best of Waldviertler
Dörfer“. So saß ich leise schluchzend am Beifahrerplatz, während meine Freundin
den Weg durch allmählich größer werdende Ortschaften zurück in die Zivilisation
suchte. Schon fast das Waldviertel verlassend (die
Gaslaternen sind wieder Strommasten gewichen), machte sie in einem Ort eine so
starke Vollbremsung, dass das nachkommende Pferdefuhrwerk kurz stehen bleiben
musste. Aus meinem verheulten Augenwinkel sah ich ein Schild: "Bauernladen
- offen". Nachdem ich abwechselnd die Straße und meine Freundin geküsst
hatte, trocknete ich meine Tränen und betrat das Geschäft.
Voller Freude sah
ich auf Regale voller Mohnzelten, Tees, Waldviertler Whiskey und anderer
Schmankerl aus der Region. Da ich keine Erdäpfel sah, fragte ich die
Verkäuferin, wo sich ebendiese Schätze denn versteckten. Die Antwort traf mich
völlig unvorbereitet - sie habe leider keine Kartoffel, aber wenn ich wollte,
sie hätte noch eine Schuhschachtel Plutonium übrig.
Eine Welt brach für mich zusammen, aber wie
es sich für einen Mann in meinem Alter gehört, ließ ich mir kaum etwas
anmerken. Nach dem darauffolgenden zehnminütigen Wutanfall, der nur durch lange
Pausen des Luftanhaltens unterbrochen wurde, hatte die Verkäuferin doch Mitleid
mit mir. Sie führte mich in ein Hinterzimmer, welches mit Eierkartons
ausgekleidet war. Ich gab mein Handy ab, wurde nach Abhörwanzen durchsucht und
schwor (die rechte Hand auf dem Lagerhauskatalog 1968/69) dass ich die nun
folgenden Informationen nie preisgeben werde. Dann verriet mir die Dame, dass
ihre Mutter, stolze Besitzerin eines Herzschrittmachers, langsam dement werde
und nebenbei noch Kartoffelbäuerin sei. Sie würde auch einem Wiener Kartoffeln
verkaufen. Wir müssten nur einen kleinen Umweg von 50 Kilometern mit dem Auto
und danach eine mehrstündige Wanderung über einen Klettersteig machen, und dann
würden wir den Hof schon finden. Die Wegbeschreibung war auch einfach: zuerst
gerade aus, dann zweimal links und beim Hundehaus rechts rein. Nach mehreren Stunden
und der Erkenntnis, dass die Waldviertlerin mit Hundehaus das
"Hyundai" Autohaus gemeint hatte, fanden wir tatsächlich den Hof samt
Bäuerin. Nach einem geheimen Handschlag verkaufte uns diese tatsächlich 10 Kilo
Bioepfi, die sie liebevoll aus einem Kübel neben der Schweinetränke klaubte.
Ich bin und bleibe ein Glückskind, ich
hatte meine Erdäpfel, und musste nicht einmal in Schilling zahlen! Zu Hause
angekommen gab es ein Festmahl aus Erdäpfelpuffer, Lachs und Apfelmus. Das
Rezept gibt es nach einem feierlichen Schwur auf den aktuellen Lagerhauskatalog.
Das harterkämpfte Abendessen |
der heilige Gral des Waldviertels in neutraler Verpackung |
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