Mittwoch, 6. Juli 2011

Job Rotation

Da ich gerade seit einer halben Ewigkeit im Café Florianihof sitze und den hüschen Kellnerinnen nach- und zuschaue, kreisen heute meine Gedanken um die Arbeit. 
Es gibt ja in diesem Land sehr viele Menschen, die mit ihrem Job unzufrieden sind. Soziologen, die mit ihrem Job in der Systemgastronomie unglücklich sind, Manager, die lieber eine Golfkarriere anstreben würden, Beamte, die etwas mit Bewegung machen wollen, oder (Achtung Monty Python Insider!) Frisöre, die lieber Holzfäller werden wollen.

Ich habe ja grundsätzlich einen recht feinen Brotverdienst, aber mitunter ärgere ich mich natürlich auch. (Apropos ärgern, nach 20 Minuten in diesem Kaffeehaus frage ich mich gerade, mit wem ich hier schlafen muss, um einen Kaffee zu bekommen. Was ich für ein Frühstück machen muss, will ich ja gar nicht mehr wissen - vermutlich eine Niere spenden.)

Wo war ich? Ach ja, bei meinem Job. IT-Projektmanager lässt sich am besten beschreiben als eine Melange aus Montessori-Kindergärtner, Schulwart, Dompteur und Escortservice mit Computerführerschein. Aber für die Momente, in denen ich mich über Arbeit oder Kollegen ärgere, habe ich eine ideale Therapieform endeckt, die ich euch heute vorstellen möchte.

(Oh Wunder! Ich habe ein Frühstück bekommen und besitze noch immer alle Innereien und meine Selbstachtung!)

Und zwar nennt sich diese Form der Heilung "Unterschiedliche Interaktion mit der österreichischen Post". Als Einstieg in diese Therapie eignet sich "Ein Packerl bei dem Lieferanten seiner Wahl bestellen".
Nach der Bestellung kommt nach unterschiedlich langer Zeit ein gelber Zettel ins Haus geflattert. Falls man besonderes Glück hat, bekommt man diesen beim Verlassen der Wohnung mit der Information, dass man soeben in ebendieser nicht anzutreffen war.
Diese Übung lehrt, dass es unterschiedliche Realitäten gibt. Nur dass man glaubt, in der Wohnung gewesen zu sein, heißt noch lange nicht, dass es so WAR.

Mit dem Zettel ausgestattet, geht man nun zu dem Postamt, welches da beschrieben steht. Dies kann variieren - beim letzen Mal stand bei mir ein komplett anderes als sonst. Hier lernt man, geistig flexibel zu bleiben und
sein Hirn mit immer neuen Situationen zu konfrontieren. Im Postamt angekommen, gibt es dann 4 - 8 Schalter, bei denen je ein Postbeamter sitzt und gerade Mittagspause hält, den einzig offenen Schalter erkennt man an der Schlange, die bis zur Tür ragt.
Hier lernt man gleich zwei Dinge: man kann sich gar nicht genug Zeit zum Essen nehmen! Ich nehme mir meistens einen kleinen Picknick-Korb und einen Rucksack mit gut gekühlten Getränken  mit, um auch die kurze Wartezeit in der Schlange zu überbrücken. Außerdem bekommen auch andere Mitansteller schon nach wenigen Stunden etwas Durst und so kann man seinen Altruismus schulen oder ein Taschengeld dazuverdienen. Womit wir schon bei der zweiten Sache wären: stehende Meditation! Man lernt durch innere Gelassenheit die Farbenspiele, die durch den Lauf der Sonne eines Tages entstehen, kennen und lieben!
Ist man dann beim Ziel seiner Wünsche angelangt, gibt man dem Postbeamten den gelben Zettel (daneben noch einen Ausweis, Lebenslauf, einwandfreien Leumund und eine Bestätigung seines Notars, dass der Postler im Testament berücksichtigt wurde).

Hier gibt es unterschiedliche Verläufe der Therapie. In meinem Fall bekam ich die Information, dass hier kein Packerl für mich läge. Dadurch lernt manmit Rückschlägen, Wut, abgrundtiefer Niedergeschlagenheit und Mordphantasien in denen oft die Farbe Gelb vorkommt umzugehen. Im spielerischen Dialog muss man nun versuchen herauszufinden, WO sich das Packerl befindet. 
Nun wird die Nummer, die auf dem Zettel geschrieben steht, relevant. Auf meinem Zettel stand sie in einer Mischung aus Altgotisch und Ägyptischen Hieroglyphen - und die Postlerin fand konsequent heraus, dass ich an der unleserlichen Schrift selbst Schuld habe
So lernt man auch als Single die Vorteile einer Beziehung kennen.

Nun geht es ums Prinzip "wer suchet, der findet" und man muss jetzt sein Gegenüber von diesem Prinzip überzeugen.
Neben dieser Überzeugsarbeit übt man auch die Technik der Deeskalation - zum einen die Postlerin weiter zum Suchen zu animieren und gleichzeitig den meuternden und hungrigen Mob, der noch immer wartet, in Schach zu halten.

Nach rund 30 Minuten Telefonat der Postlerin mit der Zentrale, dem Vatikan und der NASA wurde herausgefunden, dass mein Packerl eh in der Filiale die neben der Wohnung liegt hinterlegt ist. An diesem Punkt lernt man seine doch kleine Stellung im Kosmos kennen dass wir alle fremdbestimmt sind und der freie Wille eine Illusion ist.

Nachdem ich meine Vorräte aufgefüllt habe, mich frisch rasiert und noch eine Woche Urlaub genommen habe, bin ich in Richtung meiner "normalen" Filiale aufgebrochen. Der Geist ist ja ein Gewohnheitstier, und so lernt es neue Dinge nur durch ständige Wiederholung. Zum Glück konnte ich das Erlernte nochmals in der zweiten Filiale wiederholen.
Hat man nun sein Päckchen in der Hand, kann man heimkehren, um seinen Partner und seine Kinder, die inzwischen größer geworden sind, in die Arme schießen. Und die wenigen Wochen bis zur Pension kann man sich freuen einen Job in einer vernünftigen Firma zu haben. 

Wenn´s wirkich wichtig ist, dann lieber mit der Post.







3 Kommentare:

  1. find die story wirklich super lustig. Schließlich kennen wir das doch alle ;).
    Freu mich auf die nächsten Geschichten.

    lg friedi

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  2. 100x selbst erlebt... Gute Story!

    lg Rü

    PS: Großbriefe kann aber muss die Post nicht zustellen (das kann sich jedes Postamt aussuchen (wurde mir bei der Beschwerdestelle erklärt)). Darum bekommt man auch den gelben Zettel wenn man zu Hause ist^^
    PPS: Sei froh, dass du nicht auch noch mit Karte zahlen wolltes ;)

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  3. Herrlich finde ich deine Jobbeschreibung. Der vergleich mit Montesori Kindergärtner ist der brüller !

    LG
    Lutz

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